Wie können wir den Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigen? CfD für den schnellen Hochlauf und PPA als no-regret

Um Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, ist ein noch stärkerer Ausbau von erneuerbaren Kraftwerken innerhalb der nächsten neun Jahre erforderlich, als ihn die letzte Bundesregierung vorgesehen hat. Schon bis 2030 muss sich nach verschiedenen Berechnungen die installierte Kapazität erneuerbarer Energieanlagen mehr als verdoppeln. Gleichzeitig sind Investitionen in erneuerbare Energien aus verschieden Gründen risikobehafteter als Investitionen in konventionelle Kraftwerke. Vor diesem Hintergrund steht das bestehende Förderregime und Marktdesign erneut auf dem Prüfstand: Kann es den erforderlichen Ausbau in der Kürze der Zeit, zu möglichst niedrigen Gesamtkosten und möglichst marktintegriert und systemfreundlich erreichen?

Hintergrund

Die kürzlich veröffentlichte dena Leitstudie “Aufbruch Klimaneutralität” zeigt, dass in Deutschland dafür schon bis 2030 die Kapazitäten von PV- und Windkraftanlagen im Vergleich zum Gesamtbestand von 2019 mehr als verdoppelt werden müssen (246 GW in 2030 im Vergleich zu 104 GW in 2021). Zum gleichen Ergebnis kommen auch die Studien von Prognos, Öko-Institut und Wuppertal-Institut und des Ariadne-Projekts. Der jüngst veröffentlichte Szenariorahmen zum Netzentwicklungsplan Strom 2037 gibt einen Studienvergleich über die installierte Erzeugungsleistung (50Hertz et al. 2022, S. 27-28).

Studienvergleich Installierte Erzeugungsleistung Photovoltaik in GW

Studienvergleich Installierte Erzeugungsleistung Offshore Wind in GW

Studienvergleich Installierte Erzeugungsleistung Offshore Wind in GW

Das bedeutet nicht nur, dass viele Anlagen neu gebaut werden, sondern auch dass zahlreiche alte EE-Anlagen ersetzt werden müssen. Die staatlichen Ausbaupläne bis 2030 lagen bislang im Vergleich dazu mehr als 20 % unter dem laut aktueller Studien notwendigen Ausbaubedarf (191 GW installierte Windkraft- und PV-Kapazität in 2030). Die Ampel-Koalition strebt nun sogar an allein die PV-Kapazität bis 2030 auf ca. 200 GW auszubauen.

Diese notwendigen Investitionen in erneuerbare Energien sind – wie Investitionen in andere Kraftwerkstypen auch – mit Risiken behaftet (siehe dazu auch unseren Blogpost zum Thema Marktdesign): Wie sicher ist die Preisentwicklung und damit das Einkommen über die nächsten Jahre? Lässt die Politik hohe Preise als Knappheitssignal zu? Können Markt- und auch andere Risiken über entsprechende Produkte abgedeckt werden? Die Antworten auf diese Fragen von potenziellen Geldgebenden beeinflussen maßgeblich die Kosten der Finanzierung. Der Risikoaufschlag auf die Finanzierungskosten ist für erneuerbare Energien aus zwei Gründen sogar noch relevanter als für konventionelle Kraftwerke: Erstens sind sie kapitalintensiver und zweitens ist die Höhe ihrer Produktion vom Dargebot von Wind und Sonne abhängig. Daraus entstehen z.B. Output- und Ausgleichsrisiken, die am Markt derzeit nicht oder nur teilweise abgesichert werden können, was zu hohen Finanzierungskosten für Erneuerbare führt. Hinzu kommt, dass die Installation von erneuerbarer Kapazität positive Auswirkungen (Lerneffekte) auf andere (nachfolgende Geldgebende) hat, ohne dass die Betreibenden davon profitiert. Wenn diese Effekte nicht internalisiert werden, würde zu wenig in erneuerbare Technologien investiert.

Die Herausforderung des Marktdesigns liegt darin einen Rahmen zu schaffen, in dem einerseits die Investitionsrisiken für EE gesenkt und damit auch die Gesamtfinanzierungskosten der Energiewende möglichst geringgehalten werden. Andererseits sollen sich die Anlagenbetreibenden auch an den kurz- und langfristigen Preissignalen orientieren, um so möglichst nur dann einzuspeisen, wenn es eine Abnahme für den Strom gibt.

Warum behandeln wir das Thema hier, wenn das EEG gerade erst reformiert wurde? Zum einen da viele Entscheidungen über die zukünftige Ausgestaltung darin nur in die Zukunft verschoben wurden, z.B. den Umgang mit Altanlagen, die eigentlich aus der Förderung fallen. Zudem steht weiterhin das Ziel im Raum vom geförderten auf den marktgetriebenen Ausbau umzusteigen. Der wiederholt aus der Wissenschaft formulierte Bedarf und der neue politische Wille die erneuerbaren Energien stärker als bislang geplant auszubauen, macht die Frage des „wie“ wieder hochaktuell. Daher stellen wir im Folgenden die verschiedenen Förderansätze für Erneuerbare Energien kurz gegenüber, die aktuell diskutiert werden.

Diskutierte Förderungs- und Finanzierungsansätze im Überblick

Marktprämie

Das Grundprinzip des Marktprämienmodells ist, dass die EE-Anlagenbetreibenden ihren Strom selbst vermarkten und dafür eine Vergütung zusätzlich zum Marktpreis erhalten. Grundsätzlich kann die Marktprämie ähnlich wie der FIT von den Behörden festgelegt werden, so wie es zu Beginn des Marktprämienmodells in Deutschland der Fall war. Alternativ kann die Höhe der Prämie über eine Auktion ermittelt werden. Weitere grundsätzliche Ausgestaltungsoptionen sind eine fixe gegenüber einer geleitenden (sliding/ floating) Marktprämie. Bei letzterer richtet sich die Höhe der Prämie nach der Entwicklung anderer Parameter, z.B. nach dem durchschnittlichen (technologiespezifischen) Monatsmarktpreis und fällt je nachdem höher oder niedriger aus. Begrenzt werden kann diese Variabilität auch durch eine Mindest- und Maximalhöhe (floor & cap). International wird das Marktprämienmodell in unterschiedlicher Ausgestaltung inzwischen häufig angewendet, u.a. in elf europäischen Ländern, neben Deutschland z.B. in Frankreich, Finnland & den Niederlanden.

Steigt die Variabilität der Marktprämie, sinkt die Einkommensunsicherheit und damit das Finanzierungsrisiko für die Investierenden; ein Teilrisiko bleibt jedoch immer bestehen. Gleichzeitig nimmt die Orientierung am Marktpreis ab, je variabler die Marktprämie.

Kurz gesagt ist das Marktprämienmodell eine Mischung aus Sicherheit und Marktrisiko – je nach konkreter Ausgestaltung liegt die Gewichtung mehr auf dem einen oder auf dem anderen. Eine Gefahr die aus Gesamtsystemsicht bei diesem Instrument besteht ist die (Ausbau-)Zielerreichung. So warten bezuschlagte Investierende ggf. erst die Marktentwicklungen ab und nehmen Strafzahlungen in Kauf, wenn sich diese nicht nach ihren Erwartungen realisiert.

Contract for Difference (Differenzkontrakt)

Contracts for Difference (kurz CfD) sind ein Instrument, das insbesondere für Offshore-Windkraftanlagen ins Spiel gebracht wird. Was versteht man darunter? Differenzkontrakte, wie sie auf Deutsch heißen, kommen aus der Finanzbranche bzw. dem Bereich des Hedgings. Die zwei Vertragspartner eines solchen CfD vereinbaren für ein bestimmtes Gut und eine gewisse Laufzeit einen sogenannten strike price. Liegt der Marktpreis darunter zahlt einer der Vertragspartner an den anderen die Differenz. Umgekehrt verhält es sich bei symmetrischen CfDs, wenn der Marktpreis über dem strike price liegt: dann erhält dieser Vertragspartner von seinem Counterpart die entsprechende Differenz. So können sich die Akteure gegen hohe bzw. niedrige Marktpreise absichern. Übertragen auf die EE-Förderung bedeuten CfDs, dass die EE-Anlagenbetreibenden konstant den (per Auktion ermittelten) strike price pro eingespeister MWh erhalten. Denn liegt der tatsächliche Großhandelspreis darunter wird die Differenz kompensiert (ähnlich wie bei einer Marktprämie), liegt er darüber zahlen sie die Differenz zurück (quasi eine negative Marktprämie). Daher wird dieser Mechanismus auch als symmetrische oder zweiseitige Marktprämie bezeichnet.

Im Kontext von EE-Förderung wurden CfDs zuerst in Großbritannien (2014) eingesetzt und in bislang drei Auktionsrunden umgesetzt. Seit 2017 sind sie dort der einzige Fördermechanismus für EE über 5 MW und werden je Runde für bestimmte Technologien eingesetzt (insbesondere für Offshore-Windanlagen). Inzwischen wird das Instrument auch in anderen Ländern zur EE-Förderung eingesetzt, z.B. in Polen, Portugal, Dänemark, Frankreich, Irland, New York.

Der CfD führt dazu, dass die Einkommensunsicherheit der EE-Investierenden im Vertragszeitraum gleich Null ist, wodurch die Finanzierungskosten stark gesenkt werden können. Gleichzeitig können durch die symmetrische Ausgestaltung Stromkund*innen gegen Preisspitzen abgesichert werden. Mit dem Instrument einher geht allerdings auch, dass die Orientierung der Einspeisung am Marktpreis vollständig wegfällt. Bis auf die Ermittlung der Höhe über Auktionen gleicht das Instrument einem FIT.

Im Vergleich zur (einseitigen) Marktprämie reduziert der CfD das Risiko für EE-Investierende deutlich. Dies zeigt auch eine Studie des DIW (May et al. 2018). Der zentrale Tradeoff ist aber, dass sich die Anlagenbetreibenden nicht an den Preissignalen des Markets orientieren, da ihr Einkommen nicht davon abhängt. Gleichzeitig kommt es dadurch aber nicht zu einem strategischen Abwarten bzw. Verzögern der Investitionen wie dies bei einer einseitigen Marktprämie der Fall sein kann.

Kapazitätsbezogene Förderung

Im Unterschied zu den obigen Output-bezogenen Fördermechanismen ist auch eine kapazitätsbezogene Förderung möglich. In diesem Fall erhalten die EE-Anlagenbetreibenden eine administrativ oder wettbewerblich bestimmte Förderung pro installiertem MW, anstelle einer Förderung pro MWh. Die Vermarktung des Stroms erfolgt dann über den Strommarkt.

International ist dieses Instrument relativ wenig verbreitet. In Russland wird das Instrument im Kontext des bestehenden Kapazitätsmarktes eingesetzt. In Dänemark wurde das Instrument in den 1980ern angewendet.

Der größte Vorteil dieses Instruments aus ökonomischer Sicht ist, dass die EE-Anlagenbetreibenden den Marktsignalen quasi ungefiltert ausgesetzt sind und gleichzeitig eine Absicherung durch die Förderung erhalten. Ein zentraler Nachteil ist, dass das Instrument Anreizverzerrungen bezüglich der Anlagengröße aufweist. Da die Förderung von der installierten Kapazität abhängt, gibt es Anreize diese zu groß zu wählen. Hinzu kommt, dass die Erfahrungen damit sehr begrenzt sind.

Power Purchase Agreement

Insbesondere im Kontext von erneuerbaren Anlagen die aus der bisherigen Förderung fallen, aber auch hinsichtlich einer Post-Förderungsära bzw. parallel zur bestehenden Förderung für Neuanlagen, werden Power Purchase Agreements (kurz PPA) zur Finanzierung diskutiert. Darunter versteht man Langfristverträge zur Abnahme der erzeugten Strommenge (physische PPA) oder zur Vergütung der eingespeisten Menge (finanzielle oder virtuelle PPA). Virtuelle PPA funktionieren ähnlich wie CfD, nur dass diese zwischen zwei privaten Unternehmen abgeschlossen werden. Je nach Vertragspartner spricht man von Utility PPA (mit Versorgungsunternehmen) oder von Corporate PPA (mit Großverbrauchern, kurz auch CPPA). Der Ursprung dieses Finanzierungsmodells liegt in den USA, wo es auch sehr häufig im EE-Sektor eingesetzt wird. So werden dort z.B. laut IEA ca. 40 % der installierten bzw. geplanten Windkapazität zwischen 2020 und 2025 durch corporate PPA finanziert. In Europa ist der Anteil noch deutlich geringer, aber stark wachsend. Spanien und Schweden stachen zuletzt durch ein starkes Wachstum von PPAs im PV- bzw. Windbereich hervor; verbreitet sind PPAs in Skandinavien insgesamt und auch in Großbritannien.

Dieser Finanzierungsmechanismus erfordert mehr Eigenkapital als Marktprämien, da zumeist nur ein Teil der Produktion durch PPA und ein Teil der Laufzeit der Anlagen (ca. 10-12 Jahre) abgedeckt werden. Dadurch werden die Marktpreisrisiken nicht vollständig gedeckt. Zudem beeinflusst die Kreditwürdigkeit des Abnehmers die Finanzierungskosten. Gleichzeitig können die Erzeuger jedoch zusätzlich zum Strom auch Grünstromzertifikate handeln.

Da es sich nicht um ein staatliches Förderinstrument handelt, ist die Rolle für den Staat zu überprüfen, ob die Rahmenbedingungen für die Umsetzung von PPA geeignet sind, z.B. steuerliche oder administrative Hindernisse zu beheben.

Fazit

Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Oder übertragen gesprochen, das risikoarme, markt- und systemintegrierte Finanzierungsmodell mit 100 % Zielerreichung gibt es nicht. Also zurück zum Anfang bzw. zum primären Ziel des Ganzen, vor dem Hintergrund eines bestehenden Förderbedarfs:

Wenn das Hauptziel ist, möglichst viel erneuerbare Kapazität in kurzer Zeit zu bauen, dann ist hier eher ein möglichst einfaches, bereits erprobtes, möglichst günstiges und daher möglichst risikoarmes Förderinstrument geeignet. Daher bietet sich in solch einer Situation das CfD-Modell an. Das müsste administrativ zwar auch erst aufgesetzt werden, allerdings ist es ähnlich zum bestehenden Marktprämienmodell und es kann auf internationale Erfahrung zurückgegriffen werden. Der Nachteil, dass die EE-Anlagenbetreibenden weniger auf Marktsignale reagieren, ist vor dem Hintergrund der Zielsetzung eines raschen Kapazitätsausbaus aus unserer Sicht vernachlässigbar.

Wenn hingegen Markt- bzw. Systemintegration das primäre Ziel ist, dann könnte man das Marktprämienmodell weiterlaufen lassen oder auf eine kapazitätsbezogene Förderung setzen.

Alle Ansätze können grundsätzlich mit regionalen Komponenten versehen werden, wie das bereits im Referenzertragsmodell der Fall ist, damit nicht nur „viel egal wohin“ sondern „viel an die richtige Stelle im Stromnetz“ installiert wird, um so die Systemkosten möglichst zu minimieren.

PPA laufen potenziell neben allen Ansätzen außer Konkurrenz, da mit ihnen alleine die Ausbauzielerreichung nur schwer sichergestellt werden kann. Sie stellen quasi eine no regret Option dar: sie schaden nicht, können aber helfen den notwendigen Ausbau zu erreichen.

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Anna Pechan

Anna ist unsere Expertin rund um Fragen zum Energiemarktdesign, Regulierung und Modellierungen in diesen Bereichen.

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