Räumliche Verteilung von Elektrolyseuren steuern - 4 Ansätze
Im Rahmen der nationalen Wasserstoffstrategie hat die dena Anfang Dezember den 4. Fachdialoges PtX organisiert, der sich der Frage gewidmet hat, wie die Verteilung von Elektrolyseuren räumlich gesteuert werden kann, um den zusätzlichen Stromnetzausbaubedarf möglichst zu minimieren. Unter anderem war auch Dr. Marius Buchmann eingeladen, um im Rahmen einer Fachdebatte kurz aus ökonomischer Sicht darzustellen, welche Maßnahmen im Marktdesign und den Planungsprozessen in der Energiewirtschaft genutzt werden könnten, um eine entsprechende räumliche Allokation anzureizen. Wir greifen diese Debatte in dem heuten Blogpost auf, um einen kurzen Überblick über einige ökonomische Instrumente zu geben, die zur räumlichen Verteilung von Elektrolyseuren genutzt werden können.
Kurz zum Hintergrund
Wasserstoff kann einen relevanten Beitrag zur Erreichung der Klimaneutralität beisteuern, darin sind sich die bestehenden Studien zu den möglichen Entwicklungspfaden, über die wir in Deutschland klimaneutral werden können, einig. Dabei variieren zwar teilweise die Abschätzungen zum Umfang, in dem grüner Wasserstoff in unserem Energiesystem und zur stofflichen Verwertung benötigt wird, erheblich zwischen den Studien (wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist).
Allerdings treten diese Abweichungen in der Abschätzung des Wasserstoffbedarfs und insbesondere der nationalen Erzeugungskapazität zwischen den Szenarien erst im Wesentlichen ab 2030 auf. Schaut man auf die Abschätzung für das Jahr 2030, so zeigt sich, dass hier die Studien von ca. 5-10 GW installierter Leistung an Elektrolyseuren zur Produktion von grünem Wasserstoff ausgehen. Aus Sicht des Stromnetzes bedeutet diese Entwicklung, dass eine umfassende neue Kapazität in das Stromnetz integriert werden muss. Dabei gilt aus Sicht des Stromnetzes, dass diese Kapazitäten möglichst nicht zu einer weiteren Verstärkung der bereits bestehenden strukturellen Engpässe im Stromnetz führen sollten. Eine aktuelle Untersuchung von vom Scheidt et al. (2021) illustriert, dass eine Verteilung der Elektrolyseure ohne eine Koordination mit dem Stromnetz die Redispatchkosten um bis zu 20% bis 2030 erhöhen könnten. Dies würde Zusatzkosten von etwa 1 Milliarde Euro p.a. entsprechen. Unabhängig davon, wie genau diese Abschätzung den realen Bedarf darstellt zeigt diese Betrachtung doch zum einen deutlich, welche zusätzlichen Kosten entstehen könnten und zum anderen auch, welcher Spielraum besteht um eine räumliche Verteilung anzureizen: Solange die Kosten der zusätzlichen räumlichen Verteilung unter den zusätzlichen Kosten des Redispatch liegen, sind diese zunächst erstmal als volkswirtschaftlich sinnvoll einzustufen.
Wie können wir also Anreize zur räumlichen Verteilung für die Betreiber von Elektrolyseuren setzen?
Grundsätzlich betrachten wir hier vier Ansatzpunkte, um die räumliche Verteilung von Elektrolyseuren mit den Kapazitäten im Stromnetz zu koordinieren:
Ansatzpunkt 1: Investitionsanreize Erzeuger
Ein zentraler Kostenfaktor für Elektrolyseure sind die Strombezugskosten. Werden diese nun regional differenziert anhand der Netzkapazitäten, so kann sich ein starker regionaler Lenkungseffekt erzielen lassen. Ein bekannter Ansatz aus der ökonomischen Theorie, der zum einen effiziente Anreize zur Ausnutzung von vorhandenen Netzkapazitäten als auch langfristige Investitionssignale zur räumlichen Verteilung von Elektrolyseuren setzen kann sind nodale Preise, die je Netzknoten die Energiepreise an die verfügbare Netzkapazität anpassen. Wie vom Scheidt et a. (2021) explizit für den Fall der Elektrolyseure aufzeigen, können nodale Preissignale den Redispatchbedarf (unter den in der Studie getroffenen Annahmen), der sich durch Elektrolyseure ergeben könnte, erheblich reduzieren. Auch wenn das Konzept der nodalen Bepreisung aus ökonomischer Sicht zu favorisieren ist gegenüber einer zonalen Bepreisung, so geht die Einführung dieses Konzepts mit diversen Herausforderungen einher, so dass die Umsetzung dieses Ansatzes aus heutiger Sicht kaum realistisch erscheint. Neben politischen Aspekten stellt sich vor allem die Frage, ob der Aufwand bei den Unternehmen zur Einführung der nodalen Bepreisung gerechtfertigt ist. Hier bedarf es einer Kosten-Nutzen-Betrachtung zwischen den Vorteilen einer nodalen Bepreisung (u.a. Reduktion Redispatchkosten) einerseits, und den nötigen Investitionen zur Berechnung der nodalen Bepreisung andererseits.
Ergänzend oder alternativ zur Energiebepreisung kann über die Netzanschlussentgelte eine räumliche Differenzierung der Energiebezugskosten erreicht werden, indem die Netzentgelte Netzknappheiten reflektiert. Tatsächlich finden sich in den Märkten, in denen aktuell nodale Bepreisung angewandt wird (etwa in Kalifornien) auch eine Kombination mit lokal differenzierten Netzentgelten (zonales System mit etwa 20 Zonen) statt, um zum einen die Kosten der Netzinfrastruktur zu decken, und zum anderen die langfristigen Investitionssignale aus den nodalen Preisen zu ergänzen und so eine stärkere langfristige Wirkung auf die räumliche Verteilung zu erreichen. Dies kann etwa durch „tiefe“ Netzanschlussentgelte (deep charges) oder smart connection agreements erreicht werden. Smart connection agreements geben den Netzbetreibern die Freiheit die Netzanschlusskosten an die lokale Netzsituation anzupassen, etwa indem eine Anschlusskapazität nur zu einem bestimmten Anteil gesichert ist und die restliche Anschlusskapazität nur denn zur Verfügung steht, wenn keine Netzknappheit herrscht.
Ansatzpunkt 2: Technologieförderung um lokale Komponente ergänzen
Eine lokale Differenzierung der Förderbedingungen ist von den Ausschreibungen zur Förderung von neuen erneuerbaren Erzeugungskapazitäten bereits bekannt, auch wenn sich diese nicht auf die lokalen Netzbedingungen, sondern auf die örtlichen Ertragschancen der einzelnen Anlagen bezieht. Auf ähnliche Weise wäre es denkbar, dass bei der Ausschreibung von Fördermechanismen für Elektrolyseure lokale Elemente einbezogen werden, so dass die Förderung von Elektrolyseuren z.B. auch von der Entfernung von der erneuerbaren Stromerzeugung abhängig ist. An Standorten mit günstigen Netzbedingungen würde die Förderung somit höher ausfallen, als an solchen mit bereits knappen Netzkapazitäten.
Ansatzpunkt 3: Investitionsanreize Netzbetreiber - Sektorkopplung in Anreizstruktur integrieren
Eine interessante Frage ist, welche Anreize Stromnetzbetreiber haben eine räumliche Verteilung von Elektrolyseuren zu steuern, um so den Netzausbaubedarf bzw. das Redispatchvolumen zu reduzieren. In der aktuellen Regulierung ergibt sich kaum ein wirtschaftlicher Nachteil für den Netzbetreiber aus dem Redispatch, da nahezu alle damit verbundenen Kosten direkt über die Netzentgelte gegenfinanziert werden. Eine Reduktion wird nur bedingt wirtschaftlich beanreizt. Auch eine Reduzierung des Netzausbaubedarfs wird nicht beanreizt, da die Erlöse mit dem Netzausbau steigen.
Hier zeigt sich eine zentrale Herausforderung der Anreizregulierung: Es werden lediglich diejenigen Investitionen beanreizt, die zu einem Nutzen bei den Netzbetreibern selbst führen. Fällt der Nutzen jedoch primär bei den Netznutzern an, so besteht hier kaum ein Anreiz, eine entsprechende Investition zu tätigen. Diese Problematik haben unsere Kollegen an der Jacobs University in dem verlinkten Bericht detailliert aufbereitet. Im Falle der Elektrolyseure bedeutet dies, dass die lokale Steuerung primär die Systemkosten reduzieren würde, die über die Netzentgelte durch die Netznutzer finanziert werden. Eine Reduktion dieser Kosten führt also zu Kosteneinsparungen bei den Netznutzern und nicht den Netzbetreibern selbst. Man kann hier zwar von indirekten Effekten (insbesondere Akzeptanz) ausgehen, aber diese wirken nicht direkt auf die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen der Netzbetreiber. Daher stellt sich hier auch die Frage, wie man die Steigerung des externen Nutzens bei den Netznutzern in die Anreize der Netzbetreiber integriert. Ein möglicher Ansatz könnte die Output-Orientierte Regulierung bieten, die von unseren Kollegen bereits in diesem Bericht skizziert wurde. Im Kern würde bei Anwendung des OOR-Ansatzes ein Output definiert werden, der den Netzbetreiber an dem externen Nutzen wirtschaftlich beteiligt bzw. zu dieser Nutzensteigerung beanreizt, so dass die Netzbetreiber einen Anreiz erhalten die Potenziale der Sektorkopplung (z.B. über Elektrolyseure) bei einer Investitionsentscheidung zu beachten und so einen Anreiz zur Gesamtsystemoptimierung erhalten. Im Rahmen unseres Gutachtens zur dena Leitstudie „Aufbruch Klimaneutralität“ haben wir in der Arbeitsgruppe einen solchen Output skizziert. Wer sich dafür interessiert kann gerne einen Blick in das Gutachten werfen, an dieser Stelle würde eine weitere Ausführung etwas zu sehr ins Detail gehen.
Ansatzpunkt 4: Planungsmechanismen sektorübergreifend & unter Einbindung regulierter und nicht regulierter Akteure
Grundlage einer effizienten räumlichen Verteilung ist eine entsprechende Planung der Infrastrukturbedarfe, die sich unter anderem durch die neu zu errichtenden Elektrolyseure, aber natürlich weiterhin auch aus einer Vielzahl weiterer Nachfragen, Erzeuger und alternativen Sektorkopplungstechnologien ergeben. Im Falle der Elektrolyseure gilt es hier insbesondere sowohl die eher zentrale Diffusion von Elektrolyseuren zur Belieferung von Industriebetrieben und anderen Großabnehmern als auch die eher dezentrale Entwicklung von Elektrolyseuren zur Deckung kleinerer Nachfragen gemeinsam zu betrachten. Daher gilt es nicht nur die Rückwirkungen auf das Stromnetz bei der Planung zu berücksichtigen, sondern möglichst die gesamten Kosten der Energieinfrastruktur zu optimieren. Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung ist die gemeinsame Planung der Strom-, Gas- und Wasserstoffinfrastruktur (leitungs- und nicht leitungsgebunden), um eine Gesamtsystemoptimierung bei der Planung zu ermöglichen. Wie man erste Schritte in diese Richtung gehen kann wird im Rahmen der dena Netzstudie III mit dem Systementwicklungsplan skizziert. Dieses Konzept haben wir in unserem Gutachten für die dena Leitstudie „Aufbruch Klimaneutralität“ aufgegriffen und im Hinblick auf die oben skizzierte Problematik weiterentwickelt.
Auch wenn es sicherlich noch weitere Ansatzpunkte gibt um die räumliche Verteilung von Elektrolyseuren zu steuern, zeigt diese erste grobe Übersicht bereits, dass es zum einen verschiedene Ansatzpunkte gibt, um die Investitionsanreize in Elektrolyseure an den Netzgegebenheiten (und hier insbesondere dem Stromnetz) zu orientieren. Zum anderen zeigt sich aber auch, dass es hier um eine Gesamtsystemoptimierung über Sektorgrenzen und verschiedene Wertschöpfungsstufen hinweg geht, so dass nicht nur einzelnen Maßnahmen, sondern eine Kombination mit räumlich differenzierten Preissignalen (Energie- und/oder Netzbepreisung) mit einer sektorübergreifenden Planung und entsprechender regulatorischer Anreize zur Gesamtsystemoptimierung geboten scheint.
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