Die Energiekrise und das Strommarktdesign - Ursachen, langfristige Effekte und Maßnahmen
Dieser Text wurde gemeinsam mit Dr. Anna Pechan und Martin Palovic erstellt.
Die zunehmend steigenden Gas- und Strompreise stehen aktuell stark im Fokus der öffentlichen Diskussion. Es ist absehbar, dass insbesondere (aber nicht nur) in diesem Winter die Belastung durch steigende Energiekosten alle Energiekonsumenten treffen wird. In der Debatte wird insbesondere auf die steigenden Gaspreise in Folge des Angriffs Russlands auf die Ukraine als Ursache für hohe Strompreise abgestellt. Auch wenn dies natürlich ein entscheidender Faktor für die steigenden Strompreise ist, sehen wir weitere Entwicklungen, die die Strompreise darüber hinaus antreiben.
Dabei gilt es zu beachten, dass verschiedene Effekte aktuell auf die Energiepreise wirken und diese auf Grund ihrer unterschiedlichen Ursachen auch nicht durch eine einzelne Maßnahme effektiv adressiert werden können. Daher schauen wir uns zunächst die zentralen Treiber der Strompreise an und gehen dann kurz auf die zentralen Mechanismen ein, die aktuell zur Entkopplung der Strom- von den Gaspreisen diskutiert werden.
Drei preistreibende Effekte führen in Summe zu steigenden Strompreisen
Der steigende Gaspreis erhöht den Preis an der Strombörse in Zeiten hoher Nachfrage
Der Handel von Strom orientiert sich an den Grenzkosten der Kraftwerke, da die Kraftwerksbetreiber nur die variablen Produktionskosten (insbesondere Brennstoffkosten) in ihr Angebot einpreisen. Dabei werden die Angebote der Kraftwerke Strom zu produzieren anhand ihrer Gebote sortiert, bis die Menge an produziertem Strom der Nachfrage in der jeweiligen Stunde entspricht. Das teuerste Kraftwerk, dass dann noch produziert, setzt dabei den Preis für alle Anbieter am Markt. Kraftwerke mit niedrigeren Grenzkosten nutzen die erzielten zusätzlichen Erträge zur Deckung ihrer Fixkosten. Zu Spitzenlastzeiten, wenn besonders viel Strom nachgefragt wird, sind zumeist Gaskraftwerke preissetzend. Abbildung 1 zeigt etwa die Merit Order für die durchschnittlichen Preise in Deutschland für das Jahr 2018 für alle thermischen Kraftwerke (ohne Erneuerbare) (FfE 2022).
Für diese preissetzenden Gaskraftwerke erhöhen sich durch die hohen Gaspreise die Beschaffungskosten, so dass sie im Vergleich zur abgebildeten Merit Order aus 2018 aktuell ganz nach rechts verschoben sind (siehe weitere Abb 2 & 3 unten). Hier sei nur kurz darauf hingewiesen, dass sich die Grenzkosten zwischen den verschiedenen Gaskraftwerken, insbesondere Gasturbinen und GuD signifikant unterscheiden können, so dass Energieeinsparungen, die zu einer Reduktion des Einsatzes von Gaskraftwerken führen, einen signifikanten Effekt auf den Strompreis haben können, auch wenn nur wenige Gaskraftwerke dadurch nicht aktiviert werden[1].
Durch die höheren Beschaffungskosten steigt der Preis am Strommarkt in den Stunden stark an, in denen Gaskraftwerke zur Deckung der Nachfrage genutzt werden müssen. Das findet aktuell nur statt, wenn alle anderen verfügbaren Kraftwerke inkl. der erneuerbaren Kapazitäten bereits zur Deckung der Nachfrage eingesetzt werden. An sich sind hohe Preise am Strommarkt nichts neues, allerdings ist die Häufigkeit sehr wohl ein neuer Effekt, der zu stark ansteigenden Durchschnittspreisen führt.
Niedrige Pegelstände erhöhen Kosten der Kohlekraftwerke
Dieser preissteigende Effekt der Gaskraftwerke wird dann noch verstärkt durch zwei weitere Herausforderungen: Zum einen sorgen die niedrigen Pegelstände im Rhein und anderen Flüssen dazu, dass diese nur noch eingeschränkt zum Transport von Kohle genutzt werden können. Dies bedeutet dann, dass die Kohlekraftwerke nicht genügend Brennstoff haben, um Volllast Strom zu produzieren, auch wenn sie damit an sich am Markt viel Geld verdienen können. Das gilt nicht nur für die Kohlekraftwerke in Deutschland, sondern z.B. auch insbesondere auch in Polen, die voraussichtlich daher keine zusätzlichen Exportkapazitäten im Winter bereitstellen können. Diese Brennstoffknappheit ist zwar zeitlich begrenzt, dehnt sich aber erfahrungsgemäß über den Winter aus, da die Pegelstände sich nur langsam erhöhen. Daher wirken sich die niedrigen Pegelstände auch auf die aktuellen Strompreise aus, da das Angebot an Alternativen zu den Gaskraftwerken dadurch weiter eingegrenzt wird und letztere häufiger zum Einsatz kommen. Hinzu kommt, dass durch diese Problematik die Transportkosten für Kohle ansteigen und dass der CO2-Preis im Vergleich zu den Vorjahren deutlich höher liegt. Dadurch steigen insgesamt die Grenzkosten der Kohlekraftwerke.
Französische Kraftwerkskapazitäten durch Sicherheitsbedenken bei den Kernkraftwerken bis in den Winter reduziert
Zweitens sind in Frankreich aktuell mehrere Atomkraftwerke nicht an das Netz angeschlossen, da Sicherheitsprüfungen anstehen (die teilweise auf Grund von Corona sich über die letzten zwei Jahre aufgestaut haben) bzw. Sicherheitsbedenken bei mehrere Kraftwerken bestehen. Das führt aktuell erstmal „nur“ dazu, dass weniger Atomstrom in Frankreich produziert wird und dadurch die Preise in Frankreich steigen, so dass ein Import von Atomstrom auch teurer wird. Darüber hinaus stehen auch weniger Kapazitäten zur Absicherung der Spitzenlast zur Verfügung, was dann zu Versorgungsengpässen führen kann und zur mehr französischen Stromimporten führt (z.B. aus Deutschland, wodurch hier wiederum die Stromnachfrage steigt) . Offen ist hierbei, um wieviel die Kapazität der Kernkraftwerke im Winter reduziert sein wird. Die aktuelle Einschätzung des französischen Übertragungsnetzbetreibers RTE vom 01. September 2022 zeigt hier ein weniger positives Bild: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Verfügbarkeit der französischen Kernkraftwerke erst Ende 2022 auf dem Vorjahresniveau liegen könnte, wobei die Unsicherheit hier noch hoch ist und auch signifikant geringere Verfügbarkeiten nicht ausgeschlossen werden können (best case Vorjahresniveau wird Mitte Dezember 2022 erreicht). Abbildung 4 zeigt die aktuelle Einschätzung der Verfügbarkeit der Kernkraftwerke in Frankreich im historischen Vergleich (rote Linie ist das aktuelle Hauptszenario von RTE). Ein Niveau wie im Winter 2020 oder scheint aus heutiger Sicht in weiter Ferne, und damit auch ein entsprechender preissenkender Effekt am Strommarkt.
Welchen Effekt unterschiedliche Reduktionen der KKW-Kapazität haben können zeigt die Sonderanalyse der vier ÜNB zum Winter 2022/2023. Das vertiefen wir hier an dieser Stelle nicht.
Zusammen führen die drei Effekte, die hohen Gaspreise, die niedrigen Pegelstände und die geringe Verfügbarkeit von Kernkraftwerken in Frankreich (die für sich genommen jeweils schon den Preis nach oben treiben würden) zu sehr signifikanten Preissteigerungen am Strommarkt. Sicherlich gibt es darüber hinaus weitere Effekte, aber diese drei scheinen den größten Effekt zu haben.
Der Markt setzt die richtigen Signale: Nachfrage reduzieren und in Kapazität investieren
Im Kern sind die hohen Preise aber erstmal ein gewünschter Effekt des Marktdesigns: Der Preis setzt das Signal die Nachfrage zu reduzieren, um so zu verhindern, dass Gaskraftwerke genutzt werden müssen. Gleichzeitig setzt der Preis das Signal in neue Erzeugungskapazitäten zu investieren (insbesondere Erneuerbare da diese Grenzkosten nahe Null haben). Während das Investitionssignal nur langfristig wirken kann (es dauert eben seine Zeit ein Kraftwerk zu bauen) dient der hohe Preis insbesondere kurzfristig dazu Energieeffizienzmaßnahmen bzw. -einsparungen anzureizen. Das ist natürlich in der gegebenen Situation genau das richtige Signal. Aber auch bei Energieeinsparungen gibt es Grenzen was kurzfristig umgesetzt werden kann: Während Verzicht auf die Außenbeleuchtung eine einfach umzusetzende Maßnahme ist, sieht dies bei der Umstellung des Heizsystems, der Beleuchtung oder der weißen Ware (z.B. Kühlschrank, Waschmaschine, etc.) schon anders aus, da diese Maßnahmen mit Investitionskosten einhergehen können, die das aktuelle Budget der Konsumenten übersteigen kann (insbesondere bei umfassenderen Maßnahmen). Hinzu kommen dann noch die Engpässe bei entsprechenden energieeffizienteren Geräten als auch den Handwerker*innen, die diese installieren können. D.h. dass auch das Einsparsignal, das der Markt korrekterweise sendet, nicht zu der Nachfragereduktion führt, die an sich durch die Stromnachfragenden angestrebt wird, da sie nur eingeschränkte Möglichkeiten haben.
Während die aktuelle Diskussion primär auf die kurzfristigen Strompreise (Day-ahead & Intra-day) abstellt, zeigt sich schon, dass auch mittelfristig eine Rückkehr des Preisniveaus auf Vor-Krisen-Niveau kaum absehbar erscheint. Während die niedrigen Pegelstände sich kurzfristig wieder ändern können, ist aktuell schon absehbar, dass sowohl der Ukrainekrieg als potenziell auch noch die mögliche verspätete Reaktivierung der Atomkraftwerke in Frankreich zu längerfristigen Effekten bis 2023 und im Falle der Gaspreise auch signifikant darüber hinaus auf dem Gas- und Strommarkt führen. Dies zeigt sich insbesondere an den aktuell ebenfalls sehr hohen Futures-Preisen, die angeben zu welchen Kosten sich die Versorger heute mit Strom und Gas für 2023 und darüber hinaus eindecken können. Wenn die die aktuell abgeschalteten französischen Atomkraftwerke im November noch nicht wieder in Betrieb gehen können, so kann mit einem weiteren Anstieg der Strompreise gerechnet werden, da in Frankreich primär mit Strom geheizt wird.
Auch hier gilt: Dies bedeutet nicht, dass die Futures-Märkte nicht funktionieren: Sie senden ein eindeutiges Signal in zusätzliche Kapazität zu investieren. Aber hohe Futures-Preise bedeuten auch, dass uns die hohen Energiepreise noch länger begleiten werden und es sich nicht um ein kurzfristiges Szenario für diesen Winter handelt. In Bezug zu den Futures-Märkten sei dann noch angemerkt, dass diese zwar hohe Preise melden, die Liquidität aber sehr gering ist: Das Angebot ist knapp, aber gleichzeitig hält sich die Nachfrage noch zurück. Diese geringe Liquidität spricht dafür, dass die Händler*innen das Risiko eingehen, dass die kurzfristigen Preise in 2023 geringer ausfallen könnten als die aktuellen Futures-Preise. Bleibt zu hoffen, dass die Händler*innen die Situation richtig einschätzen. Eine aktuelle Studie von prognos geht allerdings davon aus, dass je nach Annahmen (die aktuell mit hohen Unsicherheiten behaftet sind) die Gas-Großhandelspreise erst ab 2027 abflachen und sich dann in Abwesenheit von russischem Gas auf dem Preisniveau von LNG aus den USA einpendeln (siehe Abb 6) und damit auch langfristig signifikant über dem Vorkriegsniveau liegen werden. Bei den Stromgroßhandelspreisen geht die Studie von prognos (siehe Abb 7) davon aus, dass sich diese mit dem sinkenden Gaspreis ab 2027 relativieren, aber auch auf einem höheren Niveau als 2020 und auf diesem auch langfristig verbleiben werden. In der Prognos-Studie werden dabei drei Szenarien unterschieden, die sich insbesondere dadurch differenzieren, dass sie unterschiedliche Erdgasimporte aus Russland in der Zukunft annehmen (oberer Preispfad = kein russisches Gas, mittlerer Preispfad= weniger russisches Gas mit Unabhängigkeit in 2024, unterer Preispfad = russisches Gas auf Vorkriegsniveau).
In der Summe zeigt sich also, dass verschiedene Effekte die Strom- und Gaspreise antreiben, allen voran natürlich das reduzierte Gasangebot aufgrund des Ukrainekriegs. Gleichzeitig gilt aber auch, dass die Märkte funktionieren und die richtigen Preis- und Investitionssignale setzen: Nachfrage muss soweit möglich reduziert und im Falle der Stromerzeugung in weitere Erzeugungskapazität investiert werden. Das bedeutet aber nicht, dass die Nachfrageseite mit den immens steigenden Kosten allein gelassen werden sollte. Vielmehr geht es hier nun darum über geeignete Maßnahmen die besonders betroffenen Nachfrager zu entlasten. Eine solche Maßnahme sollte dabei aber so ausgestaltet sein, dass sie das Marktgeschehen und die Preissignale nicht verzerrt, um negative Rückwirkungen zu vermeiden, etwa keine Nachfragesenkung zu erzielen.
Diskutierte Gegenmaßnahmen
Es befinden sich aktuell verschiedene Gegenmaßnahmen in der Diskussion, die zumeist auf eine kurzfristige Lösung der Energiekrise abzielen. Darüber hinaus gibt es aber auch Ideen, das grundsätzliche Marktdesign zu ändern. Letztere Konzepte sind aktuell noch wenig ausgereift und in ihrer Wirkung hoch umstritten. Daher fokussieren wir uns im Folgenden primär auf die kurzfristigen Maßnahmen, die aktuell in Deutschland und der EU diskutiert werden. Dabei skizzieren wir nur die grundlegenden Konzepte, da eine Detailanalyse diesen Blogpost bei weitem sprengen würde.
Preisdeckelung
Eine Marktverzerrung entsteht, wenn die Energiepreise künstlich reduziert werden, wie dies der Fall ist bei Preisdeckeln. Dabei ist der Zusammenhang recht einfach: Werden die Energiepreise beschränkt, so wird die Nachfrage kurzfristig weniger reduziert (und die Investitionsanreize in Effizienzmaßnahmen reduzieren sich mittelfristig auch), als dies bei höheren Preisen der Fall wäre. Dadurch wird die Situation an den Energiemärkten verschärft, da mehr Energie nachgefragt wird als ohne Deckelung und daher die notwendigen Kompensationszahlungen durch die Allgemeinheit an die Erzeuger mit höheren Kosten weiter ansteigen.
Alternative dazu wäre eine verbrauchsunabhängige Entschädigung der tatsächlich Bedürftigen. Diese Mittel würden ebenfalls von der Allgemeinheit getragen, gleichzeitig blieben die notwendigen Preissignale aus dem Energiemarkt zur Nachfragereduktion bestehen.
Gewinnabschöpfung
Andere Konzepte setzen bei der Gewinnbesteuerung von Energiemarktteilnehmern an. Diese Debatte wird aktuell unter dem Punkt „inframarignal rents“ besprochen und meint die Abschöpfung von Gewinnen, die sich durch die hohen Energiepreise für solche Erzeuger ergeben, die weiterhin geringere Erzeugungskosten haben. Dies betrifft neben Wind- und Sonnenkraft auch Wasser-, Biogas- und Kohlekraftwerke. Wobei letztere wie oben beschrieben aktuell höhere Bezugskosten haben, da der Kohletransport über die Wasserwege eingeschränkt ist. Dabei sei hier zunächst angemerkt, dass diese aktuell hohen Renditen ein elementar wichtiges Signal setzen in Erzeugung zu investieren, damit die Situation im Winter 2023/2024 und darauf folgend nicht wieder so eskaliert. Greift man nun die Rendite der Erzeuger am Strommarkt durch einen staatlichen Eingriff ab, so kann dies auch negative Auswirkungen auf die zukünftigen Investitionen in Erzeugungskapazitäten haben, da sich die zu erwirtschaftende Rendite reduziert und auch zukünftig dann ein staatlicher Eingriff nicht auszuschließen ist. Diese neue Risiko wird bei Neuinvestitionen in die Erzeugung eingepreist, was langfristig zu höheren Stromkosten oder sogar reduziertem Investitionsvolumen führen kann.
Darüber hinaus gilt, dass Erzeuger nur einen Bruchteil ihrer Stromproduktion kurzfristig verkaufen. Der wesentliche Anteil der Stromproduktion wird im Voraus (mit einem Vorlauf von 1 bis mehrere Jahre) im sogenannten Over-the-counter (OTC) Handel vermarktet. Der vereinbarte Strompreis in diesen Verträgen weicht häufig von dem Preisniveau des Spotmarktes ab, da ja genau dieses Risiko aus dem Spotmarkt eingegrenzt werden soll. Diese Abweichungen können in Krisenzeiten aber besonders groß sein, da die Vertragsparteien die Krisenentwicklung in der Vertragsgestaltung nicht vorgesehen haben. Über diese bilateralen Verträge werden so die Investitionsrisiken der Erzeuger reduziert, aber gleichzeitig bedeutet dies, dass die hohen Preise im Intraday oder Day-Ahead-Markt nicht zwangsläufig zu hohen Gewinnen bei den Erzeugern führen, da sie diese zusätzlichen Einnahmen an die Vertragspartner abtreten müssen. Es gilt also sicherzustellen, dass auch nur dort Gewinne besteuert werden, wo diese auch tatsächlich anfallen. Sonst droht wiederum eine reduzierte Erzeugerrendite und damit ein verringertes Investitionsvolumen in die neue Erzeugung.
Ziel der Politik sollte es nun sein vulnerable Gruppen schützen, ohne Effizienz- und Investitionsanreize zu reduzieren
Klar ist, dass die Energiekonsument*innen und hier insbesondere die vulnerablen Gruppen, vor den steigenden Energiepreisen geschützt werden sollten. Dabei zeigt sich aber auch, dass ein Eingriff in den Energiemarkt zur Refinanzierung politisch durchaus reizvoll sein mag, aber aus ökonomischer Sicht, insbesondere wenn die Energiekrise nicht künstlich verlängert werden soll, Risiken mit sich bringt. Insbesondere Preisdeckel und deren Refinanzierung über die Abschöpfung von inframarginal rents birgt das Risiko, die notwendigen Investitionen in erneuerbare Energien abzuwürgen. Daher erscheint es aus unserer Sicht zielführender eine zielgruppengenaue Entschädigung analog zum Klimageld, das unabhängig von den Energiekosten gezahlt wird und sich auch auf die tatsächlich Bedürftigen fokussiert, umzusetzen. So werden die notwendigen Preissignale aus dem Energiemarkt zur Nachfragereduktion und Investitionen in Erzeugungskapazität nicht reduziert und gleichzeitig die ebenfalls notwendige Vermeidung von finanzieller Überlastung der Kund*innen sichergestellt. Dabei stellt sich natürlich die Frage nach der Refinanzierung der Zahlungen an diese Zielgruppe, die nicht leicht zu beantworten ist. Aber in einer Energiekrise die Preissignale der Energiemärkte zur Refinanzierung von Umverteilungsmaßnahmen zu verzerren, erscheint als ein sehr steiniger Lösungsweg, von dem noch nicht klar ist, ob er wirklich in eine CO2-freiere und unabhängigere Energiezukunft führt.
Der aktuelle Entwurf der EU-Kommission zur Abschöpfung von Übergewinnen im Strommarkt über eine Erlösobergrenze versucht einige der oben skizzierten Herausforderungen zu adressieren, aber insbesondere die Rückwirkungen auf zukünftige Investitionen, die Einbindung von future Märkten bzw. den langfristigen Verträgen der Erzeuger sind aktuell noch offene Baustellen. Darüber hinaus sind Preisdeckelungen weiterhin in der Diskussion, wobei noch offen ist welcher Ansatz sich hier durchsetzt. Kontraproduktive Rückwirkungen auf die Nachfrage (insbesondere eine geringere Reduktion dieser) sind von jeglicher Form der Preisbegrenzung zu erwarten und daher aus unserer Sicht problematisch.
[1] Anhand Darstellung in Abbildung 1 unten ergibt sich, dass eine Reduktion der Nachfrage um ca. 3 MW (5%) die Kosten um ca. 11% reduziere könnten. Das ist nicht in jeder Stunde so, kann aber schon einmal als Richtwert herangezogen werden, wie stark der Strompreis durch eine Nachfragereduktion gesenkt werden könnte.