Digitale Identitäten, Blockchain und das Smart Meter Gateway – Bausteine für ein digitalisiertes dezentrales Energiesystem
Dieser Blogbeitrag wurde gemeinsam mit Marius Buchmann erstellt
Die Dezentralisierung des Energiesystems stellt die Energiewirtschaft vor die Herausforderung zukünftig sehr viele verschiedene verteilte Anlagen, wie erneuerbare Erzeugungsanlagen, aber auch dezentrale Verbraucher, wie Elektrofahrzeuge oder Wärmepumpen, in ihre Prozesse zu integrieren. Am Anfang der Integration neuer Anlagen steht eine an sich einfache Frage: Wie kann die Identität einer Anlage und deren Charakteristika automatisiert festgestellt und dieser Information getraut werden? Ein innovativer Ansatz zur Beantwortung dieser Frage ist die Verknüpfung von digitalen Identitäten (Self-Sovereign Identity) mit dezentralen Anlagen, die Kommunikation dieser Identitäten über die sichere Smart-Meter-Gateways-Infrastruktur und die Speicherung der Identitäten in einem dezentralen Blockchain-Ansatz. Genau dieser Ansatz war Gegenstand des dena Projekts “Blockchain Machine Identity Ledger” (BMIL) im Rahmen des Future Energy Labs, zu dem vor kurzem die Studie veröffentlicht wurde. Wir waren im Rahmen unserer Tätigkeit an der Jacobs University zusammen mit EY Law und dem OFFIS Institut für die wissenschaftliche Evaluierung verantwortlich. Im Projekt wurden verschiedene technische Lösungsansätze pilotiert, um mittels der Smart Meter Gateway (SMGW) Infrastruktur die Identität und Eigenschaften dezentraler Anlagen, die hinter dem Gateway installiert sind (z.B. Wechselrichter oder Wärmepumpen), digital zu verifizieren. Unter Anwendung der Blockchain-Technologie wurden diese digitalen Identitäten anschließend dezentral gespeichert. Auch wenn dieser Untersuchungsgegenstand zunächst nicht spektakulär klingen mag, so handelt es sich hierbei doch um einen zentralen Baustein eines dezentralen und vor allem automatisierten Energiesystems.
Millionen von Anlagen in die energiewirtschaftlichen Prozesse integrieren, aber wie?
Die Herausforderung der Integration vieler zusätzlicher Anlagen in die bestehenden energiewirtschaftlichen Prozesse wird schon heute am Beispiel des Übergangs von Redispatch 1.0 zu Redispatch 2.0 sichtbar, bei dem der Teilnehmerkreis von wenigen hundert auf über 100.000 Anlagen vergrößert wurde. Dies äußert sich nicht zuletzt in der notwenigen Verschiebung des Starts des Redispatch 2.0 Prozesses. Dabei handelt es sich bei dem Redispatch 2.0 noch um verhältnismäßig wenige verteilte Anlagen, die in die Prozesse eingebunden werden müssen. Schaut man in die aktuellen Szenarien zur Weiterentwicklung des Energiesystems auf dem Weg zur Klimaneutralität, so zeigt sich, dass nicht nur die aktuell rund 2.5 Millionen Photovoltaikanlagen sich bis 2030 vervielfachen werden, sondern noch 5 Millionen Wärmepumpen und mindestens 15 Millionen Elektrofahrzeuge in den nächsten 8 Jahren hinzu kommen könnten. Will man nun diese Anlagen in verschiedene Prozesse im Energiesektor integrieren, dann wird alleine durch die Anzahl der Anlagen deutlich, dass die Herausforderungen beim Redispatch 2.0 nur ein Vorgeschmack auf wesentlich umfangreichere Integrationsprozesse sind, für die geeignete und effiziente Lösungsansätze gefunden werden müssen.
Drei Ansätze mit dem gleichen Ziel: Dezentralen Anlagen eine digitale Identität geben und diese blockchain-basiert automatisiert austauschen
Um die Grundlage für innovative Ansätze zur automatisierten Einbindung verteilter Anlagen im Energiesystem zu schaffen, setzten die Pilotierung und Analysen aus der BMIL-Studie an dem ersten Schritt eines jeden Integrationsprozesses an: der fälschungssicheren Identifizierung von Anlagen und Speicherung der zugehörigen Daten. Im Rahmen des Projektes wurden dazu verschiedene Anbindungsvarianten für dezentrale Anlagen an einen blockchain-basierten Identitäts-Ledger (BMIL) erprobt. Ziel war es dabei jeweils, die sichere SMGW-Infrastruktur zu nutzen und über den CLS-Kanal eine fälschungssichere und vertrauensvolle Identitätsbestimmung von dezentralen Anlagen (perspektivisch automatisiert) zu ermöglichen. Dabei wurden drei Ansätze unterschieden, die jeweils verschiedene Konzepte nutzen um die Identität einer Analgen, z.B. eines Wechselrichters, mit diesem zu verknüpfen und via CLS-Schnittstelle an das BMIL zu übertragen.
Der erste Ansatz verfolgte eine gerätezentrierte Identitätsverwaltung im Verbund mit einem SMGW-Mehrwertmodul, so dass die digitale Identität direkt über das SMGW bzw. das verbundene Mehrwertmodul verwaltet und über dieses mit der Blockchain ausgetauscht werden konnte. Der zweite Ansatz fokussierte auf eine gerätezentrierte Identitätsverwaltung im Verbund mit einem dedizierten CLS-Device. Hierbei wird ein Device zum Identitätsmanagement mit der dezentralen Anlage verbunden und die Kommunikation findet über den CLS-Kanal mit der Blockchain statt. Drittens wurde ein Cloud-Edge Ansatz verfolgt, bei die Identitätsverwaltung über ein Cloud-Wallet realisiert wurde. Der Unterschied zum zweiten Ansatz liegt hier also darin, dass das Identitätsmanagement nicht vor Ort bei der Anlage, sondern über einen Cloud-Ansatz umgesetzt wurde.
Die Kernergebnisse der ökonomischen Evaluation in a nutshell
Der Fokus unserer Evaluation aus ökonomischer Perspektive lag auf der Identifizierung der möglichen Effizienzgewinne, die durch die Anbindungsvarianten erzielt werden, und die Herausforderungen, die einer Erschließung dieser Potenziale aus ökonomischer Sicht entgegenstehen könnten. Da es sich bei den Anbindungsvarianten um Demonstrationen in einem frühen Entwicklungsstadium handelt, die keine genaueren Kosten-Nutzen-Analysen zulassen, haben wir uns in der Bewertung auf die wesentlichen Potenziale des BMIL-Ansatzes fokussiert.
Wir kommen zu folgenden drei Kerneinsichten aus ökonomischer Sicht:
Das Potenzial zur Transkationskostenreduzierung ist da, und sollte durch Technologiewettebwerb gehoben werden
Erstens stellen alle drei im Projekt erprobten Anbindungsvarianten einen potenziellen Lösungsweg dar, um Effizienzgewinne durch Transaktionskostenreduzierung im Energiesektor zu realisieren. Gleichzeitig können die verschiedenen Anbindungsvarianten unterschiedliche Kosten und unterschiedliche Nutzen und Mehrwerte erzeugen. Daher ist die Sicherung eines effektiven Technologiewettbewerbs in dieser frühen Phase der Entwicklung der verschiedenen Anbindungsvarianten besonders wichtig, um hier keine Technologieoption zu diskriminieren.
Pfadabhängigkeiten und Markteintrittsbarrieren adressieren
Um diesen wichtigen Technologiewettbewerb zwischen den Anbindungsvarianten nicht zu beeinträchtigen, gilt es zweitens verschiedene wettbewerbsrelevante Aspekte zu beachten. Zum einen könnten Pfadabhängigkeiten im Kontext des Smart-Meter-Rollouts (Synergieeffekte) und Markteintrittsbarrieren durch Rückwirkungen des Wettbewerbs im Messstellenmarkt auf die möglichen Anbindungsvarianten entstehen. Zum anderen könnten die verschiedenen Wettbewerbsformen (insbesondere Plattformwettbewerb) bei den Anwendungen, die auf den Anbindungsvarianten basieren, auf den Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbindungsvarianten rückwirken. Diese potenziellen Hemmnisse sollten weiter untersucht und Handlungsoptionen entwickelt werden, mit denen der Technologiewettbewerb zwischen verschiedenen Anbindungsvarianten gesichert werden kann.
Interoperabilität sicherstellen
Drittens ist es wichtig, die Interoperabilität insbesondere im Kontext der SSI sicherzustellen, da hier Netzwerkeffekte eine relevante Rolle spielen. So könnte eine Standardisierung der SSI-Bestandteile im Energiesektor notwendig sein, um Pfadabhängigkeiten zu überwinden und so eine stärkere Marktdurchdringung des SSI-Konzepts überhaupt zu ermöglichen. Daher sollte geprüft werden, in welchen Bereichen des Energiesektors eine solche Standardisierung vorangetrieben werden kann, ohne den Technologiewettbewerb einzuschränken und gleichzeitig mögliche Synergien mit anderen Sektoren heben zu können.
Weitere Details zur Pilotierung sowie der technischen, rechtlichen und auch insbesondere zu unserer ökonomischen Evaluation können sie in dem kürzlich veröffentlichten Gutachten finden.
Vor dem Hintergrund der aktuellen und sich abzeichnenden Entwicklungen im Energiesystem scheint die Frage nicht zu sein, ob digitale Identitäten die Grundlage zur Einbindung von dezentralen Anlagen in die energiewirtschaftlichen Prozesse schaffen werden, sondern wann und wie wir dieses technische Potenzial heben.
Gerne unterstützen wir sie bei diesem Prozess. Sprechen Sie uns gerne an!